Ausgabe Nr. 2/2015 (März/April)
Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,
nachfolgend haben wir in dieser Ausgabe wieder aktuelle Urteile und Neuerungen aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht für Sie zusammengestellt.
Am 17. 12. 2014 hat das Bundesverfassungsgericht das geltende Erbschaftsteuerrecht teilweise für verfassungswidrig erklärt. Dennoch sind die Vorschriften zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis zum 30. 6. 2016 eine Neuregelung schaffen.
Hintergrund: Das derzeitige Erbschaftsteuerrecht sieht beim Übergang betrieblichen Vermögens eine Steuerbefreiung i. H. von 85 Prozent vor, wenn bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Zusammensetzung dieses Vermögens, seines Erhalts in der Hand des Erwerbers und der mit dem Vermögen verbundenen Arbeitsplätze erfüllt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Verschonung sogar 100 Prozent betragen. 2012 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob diese Vergünstigungen verfassungsgemäß sind. Nach Auffassung des BFH ist dies nicht der Fall, da sie eine verfassungswidrige Überprivilegierung darstellen. Im Zusammenwirken mit persönlichen Freibeträgen und weiteren Verschonungen sei die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme – so der BFH.
Entscheidung: Das BVerfG folgte dieser Argumentation und entschied, dass die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht verfassungsgemäß ist:
Hinweis: Bis zum Inkrafttreten einer nun zu treffenden Neuregelung gilt das alte Recht grundsätzlich weiter. Alle bis dahin vom Finanzamt entschiedenen Übertragungen können deshalb nach den derzeitigen Regeln begünstigt werden. Allerdings müssen Unternehmer, die bis zum 30. 6. 2016 von den nun als verfassungswidrig erachteten Vergünstigungen Gebrauch machen möchten, aufpassen: Denn das BVerfG hat ausdrücklich betont, dass es dem Gesetzgeber erlaubt ist, die verfassungswidrigen Vergünstigungen rückwirkend aufzuheben. Auf einen uneingeschränkten Vertrauensschutz können sich Steuerpflichtige daher nur bis zum 16. 12. 2014 berufen.
Den Nachweis darüber, dass ein anderer Unternehmer Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt hat, kann der Unternehmer mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führen.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt u. a. eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Aus der Rechnung muss sich zweifelsfrei ergeben, dass der Aussteller der Rechnung eine Leistung an den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erbracht hat.
Streitfall: Ein Unternehmer konnte bei einer Außenprüfung die Eingangsrechnungen nicht vorlegen. Er machte geltend, sie seien ihm gestohlen worden. Der Außenprüfer kürzte die geltend gemachten Vorsteuern um 40 %.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte ebenfalls nur 60 % der Vorsteuern an und wies die Klage ab:
Hinweis: Bei Verlust der Originalrechnungen sollten möglichst umgehend vom Lieferanten Rechnungskopien angefordert werden. Falls dies nicht möglich ist, kann eine Zeugenaussage helfen, die sich nach dem aktuellen BFH-Urteil allerdings auf eine konkrete Eingangsleistung beziehen muss. In keinem Fall ausreichend ist die Vorlage einer Kopie des Vorsteuerkontos aus der Buchführung.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung der Frage angerufen, ob eine fehlerhafte Rechnung rückwirkend berichtigt werden kann. Sollte der EuGH dies bejahen, könnten Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer vermieden werden.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Ist eine Rechnung fehlerhaft, kann sie berichtigt werden. Der Finanzverwaltung zufolge wirkt die Berichtigung jedoch nicht zurück. Es droht deshalb eine Verzinsung der Umsatzsteuernachzahlung für das Jahr, in dem die fehlerhafte Rechnung ausgestellt wurde.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und machte u. a. im Jahr 2011 die Vorsteuer aus Eingangsrechnungen geltend, in denen die Steuernummer fehlte. Im Jahr 2013 führte das Finanzamt eine Außenprüfung durch und beanstandete die Rechnungen. Der Kläger ließ daraufhin noch während der Außenprüfung im Jahr 2013 einen Teil der Eingangsrechnungen berichtigen und legte diese dem Außenprüfer vor; den verbleibenden Teil der beanstandeten Rechnungen ließ er erst im Jahr 2014 im anschließenden Einspruchsverfahren gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid berichtigen. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug für 2011.
Entscheidung: Das FG möchte nun vom EuGH wissen, ob – und ggf. unter welchen Bedingungen – einer Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommt.
Sollte der EuGH eine Rückwirkung bejahen, ist zu klären, welche Mindestanforderungen an eine rückwirkungsfähige Rechnung zu stellen sind, z. B., ob die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer/Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Ausstellers enthalten muss. Sollte es sich bei der Angabe der Steuernummer/Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nämlich um eine sog. Mindestanforderung für eine ordnungsgemäße Rechnung handeln, wären die streitigen Unterlagen aus dem Jahr 2011 nicht als Rechnung anzusehen. Eine rückwirkende Berichtigung wäre dann nicht möglich, weil die „berichtigten Rechnungen“ aus den Jahren 2013 und 2014 als erstmalige Rechnungen einzustufen wären. Zuletzt stellt sich die Frage, ob die Berichtigung einer Rechnung noch rechtzeitig ist, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt.
Die Frage der Rückwirkung hat Bedeutung für die Zinsen zur Umsatzsteuer. Ohne Rückwirkung würde der Kläger die Vorsteuer in den Jahren 2013 und 2014 erhalten und müsste im Gegenzug die geltend gemachte Vorsteuer für das Jahr 2011 zurückzahlen; diese Rückzahlung wäre mit Nachzahlungszinsen von jährlich 6 % zu leisten.
Eine ärztliche Gemeinschaftspraxis ist auch dann freiberuflich tätig, wenn sie einen angestellten Arzt beschäftigt, die wesentlichen Behandlungsentscheidungen jedoch von den Praxisinhabern getroffen werden. Die Einkünfte aus der Gemeinschaftspraxis sind dann nicht gewerbesteuerpflichtig.
Hintergrund: Freiberufliche Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Zu den freiberuflichen Einkünften gehören u. a. auch Einkünfte aus einer ärztlichen Tätigkeit. Sobald der Arzt jedoch angestellte Ärzte beschäftigt, besteht die Gefahr, den Status der Freiberuflichkeit zu verlieren – denn dann ist er möglicherweise nicht mehr leitend und eigenverantwortlich tätig. Folge: Gewerbesteuer wird fällig.
Streitfall: Eine Gemeinschaftspraxis war auf dem Gebiet der Anästhesie spezialisiert und übernahm für andere Ärzte, die ambulant behandelten, die Anästhesie der Patienten. Die Gemeinschaftspraxis beschäftigte eine angestellte Ärztin, die die Anästhesie in einfachen Fällen übernahm. Die jeweilige Voruntersuchung der Patienten wurde von einem der Praxisinhaber durchgeführt, der auch jeweils eine Behandlungsmethode vorschlug. Die Praxisinhaber behielten sich die Behandlung in problematischen Fällen vor. Das Finanzamt ging wegen der Beschäftigung einer Ärztin von gewerblichen Einkünften der Praxis aus.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage der Gemeinschaftspraxis statt:
Hinweise: Nicht erforderlich ist damit die unmittelbare Ausführung der Anästhesie durch die Inhaber der Gemeinschaftspraxis. Dies würde die Anforderungen an eine freiberufliche Tätigkeit überdehnen und dazu führen, dass der Einsatz fachlich qualifizierten Personals im Bereich der Medizin stets zu gewerblichen Einkünften führt.
Mit dem Ende letzten Jahres verabschiedeten Zollkodex-Anpassungsgesetz werden die Regelungen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils bei Betriebsveranstaltungen, so wie sie bisher von der Finanzverwaltung gehandhabt worden sind, größtenteils gesetzlich festgeschrieben.
Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in mehreren Urteilen entschieden, dass für die Berechnung der 110 €-Freigrenze nur die Kosten anzusetzen sind, die der Arbeitnehmer konsumieren kann. Organisationskosten, wie z. B. die Raummiete, Kosten für einen Event-Manager und auch die Kosten für eine Begleitperson sollten nach Ansicht der Richter außen vor bleiben (s. hierzu unsere Beiträge in den Mandanten-Informationen 1/2014 sowie 6/2014). Dem hat der Gesetzgeber mit seiner Neuregelung nun einen Riegel vorgeschoben.
Ab dem 1. 1. 2015 gilt in Bezug auf die Berechnung der 110 €-Grenze Folgendes:
Hinweis: Das Bundesfinanzministerium hat inzwischen beschlossen, die o. g. günstigere BFH-Rechtsprechung bis Ende 2014 anwenden. In allen noch offenen Fällen können damit zu viel gezahlte Steuern zurückgefordert werden.
Ebenfalls wurde mit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz nunmehr der Begriff der Erstausbildung näher definiert.
Hintergrund: Aufwendungen für eine Ausbildung oder für ein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor eine Erstausbildung (Berufsausbildung/Studium) abgeschlossen hat oder die Berufsausbildung bzw. das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Was unter einer erstmaligen Berufsausbildung zu verstehen ist, war nicht näher definiert und führte häufig zu Streit. Ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) von Anfang 2013 erschwerte zusätzlich die Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung. Nach der ab 2015 geltenden Neuregelung ist eine Erstausbildung eine „geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung“. „Vollzeit“ heißt hierbei eine Dauer von durchschnittlich mindestens 20 Stunden wöchentlich. Zum anderen muss die Ausbildung abgeschlossen werden. Ein Abschluss erfolgt in der Regel durch eine bestandene Abschlussprüfung. Ist eine Abschlussprüfung nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Keine erste Berufsausbildung sind beispielsweise Kurse zur Berufsorientierung oder -vorbereitung, Kurse zur Erlangung von Fahrerlaubnissen, Betriebspraktika, Anlerntätigkeiten oder die Grundausbildung bei der Bundeswehr.
Hinweis: Nach wie vor ist zu der Frage, ob die Kosten für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als vorweggenommene Werbungskosten abzugsfähig sind, ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig (vgl. Sie hierzu den Beitrag „Kippt das Abzugsverbot für Studienkosten“ der vorherigen Ausgabe der Mandanten-Information). Sie sollten daher die Kosten für die Erstausbildung/das Erststudium trotz entgegenstehender Gesetzeslage weiterhin als vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben geltend machen. Derzeit ist ein Abzug der Kosten nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bis zu einem Betrag von 6.000 € möglich (in der letzten Ausgabe hatten wir versehentlich den bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Höchstbetrag von 4.000 € genannt).
Mehraufwendungen für die Verpflegung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können auch in sog. Wegverlegungsfällen für die ersten drei Monate nach Verlegung des Haupthausstandes berücksichtigt werden.
Hintergrund: Verpflegungsmehraufwendungen können in den ersten drei Monaten einer doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend gemacht werden. Umstritten war, ob dies auch in sog. Wegverlegungsfällen gilt. Damit sind Fälle gemeint, in denen der Arbeitnehmer seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Arbeitsort wegverlegt.
Streitfall: Der Kläger war nichtselbständig tätig. Er wohnte mehrere Jahre am Beschäftigungsort. Nach seiner Heirat verlagerte er mit seiner Frau den Familienwohnsitz. Die Wohnung am Beschäftigungsort behielt er als Zweitwohnung bei. In seiner Einkommensteuererklärung machte er für die ersten drei Monate nach dem Umzug Verpflegungsmehraufwendungen geltend. Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug, da der Kläger bereits vor Begründung der doppelten Haushaltsführung am Beschäftigungsort gewohnt habe und die Dreimonatsfrist bei Wegverlegung des Familienwohnsitzes somit abgelaufen sei.
Entscheidung: Die Richter des BFH folgten dem nicht:
Anträge auf Erlass der Grundsteuer müssen bis zum 31. 3. gestellt werden.
Hintergrund: Trotz erheblicher Bemühungen können Immobilien häufig nicht vermietet werden. Bleiben Mieteinnahmen unverschuldet aus, so kann dies unter Umständen zum teilweisen Erlass der Grundsteuer führen.
Beachten Sie in diesem Zusammenhang Folgendes:
Die Frist für Erlassanträge für das Jahr 2014 läuft am 31. 3. 2015 ab.
Der Inhalt des Mandantenrundschreibens ist nicht als Rechtsrat zu verstehen und ohne vorherige Beratung auch nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Eine Haftung für den Inhalt der Beiträge kann trotz gewissenhafter Bearbeitung nicht übernommen werden.
München, im März 2015
Thomas R. Kretzschmar
Dipl. Kfm. (Univ.) . Dipl. Jur. (Univ.)
Wirtschaftsprüfer . Steuerberater . Fachberater für internationales Steuerrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Oliver Henry
Dipl. Jur. (Univ.)
Rechtsanwalt
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