Ausgabe Nr. 6/2022 (November/Dezember)
Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,
nachfolgend haben wir in dieser Ausgabe wieder aktuelle Urteile und Neuerungen aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht für Sie zusammengestellt. Diese Mandanten-Information beruht auf dem Rechtsstand 29.9.2022.
Der Bundestag hat am 22.9.2022 eine Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen bis Ende 2023 beschlossen. Der Bundesrat muss dem Vorhaben noch zustimmen, Einwände gegen die geplante Regelung sind nach derzeitigem Stand nicht zu erwarten.
Geregelt ist die Änderung im „Achten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen“ mit dem u. a. die sog. EU-Alkoholstrukturrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll.
Die Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme der Abgabe von Getränken) ist Teil des „Dritten Entlastungspaketes“ der Bundesregierung, welches am 4.9.2022 vorgestellt wurde.
Darüber hinaus ist mit dem Gesetz eine Anpassung des Durchschnittssatzes und der Vorsteuerpauschale für Landwirte ab 1.1.2023 auf 9,0 % geplant. Über die finalen Regelungen werden wir Sie an dieser Stelle informieren.
Die Bundesregierung hat am 14.9.2022 beschlossen, die aktuell bestehenden Zugangserleichterungen für das Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2022 zu verlängern.
Hintergrund: Die ursprünglich bis zum 30.9.2022 befristete Kurzarbeitergeldzugangsverordnung ermöglicht einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld. Nun hat die Bundesregierung den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2022 verlängert.
In der „Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung“ ist geregelt, dass
Hinwies: Die Verordnung ist im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 27.9.2022 in Kraft getreten.
Der Zuschuss der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für „Ladestationen für Elektrofahrzeuge – Unternehmen“ (sog. Zuschuss 441) kann voraussichtlich bis Dezember 2022 beantragt werden. Dann werden die Fördermittel wahrscheinlich ausgeschöpft sein. Die KfW empfiehlt, entsprechende Anträge frühzeitig zu stellen.
Nachfolgend die wichtigsten Infos zum Zuschuss für Ladestationen in Unternehmen:
Hinweise: Die Förderung steht unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht grundsätzlich nicht.
Neu ist, dass die Frist, die Ladestationen in Betrieb zu nehmen von zwölf auf 18 Monate verlängert wurde. Die neue Frist gilt auch für bereits zugesagte Zuschüsse.
Hinweise: Den Zuschuss können Sie auf der Homepage der KfW (www.kfw.de) beantragen. Dort sind zudem weitere Informationen über das Förderprogramm hinterlegt.
Die Förderung der Errichtung neuer Ladestationen für Wohngebäude (Zuschuss 440) ist dagegen ausgelaufen.
Ein Bescheid, in dem das steuerliche Einlagekonto einer GmbH zu niedrig festgestellt wird, kann zugunsten der GmbH aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden, wenn die auf Null lautende Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto erkennbar fehlerhaft war, weil aus dem beigefügten Jahresabschluss Einlagen deutlich erkennbar waren.
Hintergrund: Bei Kapitalgesellschaften werden Einlagen der Gesellschafter in einem sog. steuerlichen Einlagekonto erfasst und durch Bescheid festgestellt. Diese Feststellung ermöglicht in Folgejahren eine steuerfreie Rückgewähr der Einlagen an die Gesellschafter, soweit die zurückgezahlten Einlagen den ausschüttbaren Gewinn übersteigen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, deren steuerliches Einlagekonto zum 31.12.2011 auf 0 € festgestellt worden war. Im Streitjahr 2012 erbrachten die Gesellschafter Einlagen, indem sie Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 1,8 Mio. € in die Klägerin einbrachten. Im Jahresabschluss zum 31.12.2012 wies die Klägerin eine Kapitalrücklage von ca. 2,3 Mio. € aus. Sie erläuterte die Kapitalrücklage, indem sie auf die Einbringung der Darlehensforderungen sowie auf einen Beschluss zur Einbringung weiterer Darlehensforderungen hinwies. In ihrer Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto gab die Klägerin den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos jedoch fehlerhaft mit 0 € an. Angaben zur Entwicklung des Einlagekontos im Jahr 2012 machte sie nicht. Das Finanzamt erließ im Juni 2014 erklärungsgemäß einen Bescheid über ein steuerliches Einlagekonto von 0 €. Ein Jahr später beantragte die Klägerin die Berichtigung des Bescheids wegen offenbarer Unrichtigkeit.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Hinweise: Die Berichtigung war nicht deshalb ausgeschlossen, weil die zutreffende Höhe der Einlagen nicht genau erkennbar war. Es genügt, dass die festgestellte Höhe der Einlagen im steuerlichen Einlagekonto jedenfalls erkennbar fehlerhaft war. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang die zutreffende Höhe der Einlagen ermitteln.
Für die Praxis ist das Urteil sehr wichtig, da Einlagen in der Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto oft vergessen werden und ein Einspruch gegen den fehlerhaften Bescheid mangels Abweichung von der fehlerhaften Erklärung unterbleibt. Ergibt sich aus dem beigefügten Jahresabschluss, dass Einlagen geleistet worden sein müssen, rechtfertigt dies nach der aktuellen BFH-Entscheidung eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, sofern ein Rechtsirrtum ausgeschlossen werden kann.
Eine Deckelung des sich nach der sog. 1 %-Methode ergebenden Entnahmewerts für die private Kfz-Nutzung auf die tatsächlichen Kfz-Kosten setzt bei einer Leasingsonderzahlung im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung voraus, dass bei den tatsächlichen Kfz-Kosten auch die Leasingsonderzahlung anteilig berücksichtigt wird; zu diesem Zweck ist die Leasingsonderzahlung auf die Dauer des Leasingvertrags rechnerisch zu verteilen. Die Sonderzahlung erhöht also bei der Prüfung der Kostendeckelung die tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten, so dass eine Kostendeckelung entweder nicht erfolgt oder aber niedriger ausfällt.
Hintergrund: Wird ein betriebliches Kfz auch privat genutzt, ohne dass ein Fahrtenbuch geführt wird, ist die Privatnutzung nach der sog. 1 %-Methode in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises pro Monat als Entnahme zu bewerten. Dieser Entnahmewert kann höher sein als die tatsächlich entstandenen Kosten, wenn das Kfz z. B. gebraucht bzw. besonders günstig erworben worden ist oder schon abgeschrieben ist. In diesem Fall lässt die Finanzverwaltung zu, dass der Entnahmewert auf die tatsächlich entstandenen Kosten gedeckelt wird.
Sachverhalt: Der Kläger war Zahnarzt und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, also nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten. Er schloss im Dezember 2011 einen dreijährigen Leasingvertrag für einen betrieblich genutzten BMW ab, dessen Bruttolistenpreis ca. 54.000 € betrug. Der Kläger leistete im Dezember 2011 eine Leasingsonderzahlung in Höhe von ca. 22.000 €, die er im Jahr 2011 in voller Höhe als Betriebsausgaben abzog. In den Streitjahren 2012 bis 2014 betrugen seine tatsächlichen Kfz-Kosten ca. 8.000 € im Jahr 2012 und jeweils ca. 10.000 € in den Jahren 2013 und 2014. Der Kläger ermittelte den Entnahmewert für das betriebliche Kfz nach der sog. 1 %-Methode und gelangte unter Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb zu einem jährlichen Entnahmewert von ca. 13.000 €. Er deckelte diesen Betrag auf die tatsächlich entstandenen Kosten von 8.000 € (2012) bzw. jeweils 10.000 € (2013 und 2014). Das Finanzamt folgte der Kostendeckelung nicht, sondern verteilte die Leasingsonderzahlung auf die Dauer des dreijährigen Leasingvertrags und erhöhte so die tatsächlich entstandenen Kosten.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Hinweise: Die rechnerische Verteilung der Leasingsonderzahlung auf die Dauer des Leasingvertrags erfolgt nur im Rahmen der Prüfung der Kostendeckelung. Der tatsächliche Betriebsausgabenabzug wird hierdurch nicht beeinträchtigt: Der Kläger konnte also im Rahmen seiner Einnahmen-Überschussrechnung die Leasingsonderzahlung im Jahr 2011 vollständig als Betriebsausgaben abziehen.
Bei der Bilanzierung werden Leasingsonderzahlungen grundsätzlich ohnehin auf die Dauer des Leasingvertrags verteilt und erhöhen bereits buchhalterisch die tatsächlichen Kfz-Kosten, so dass sich dort die Problematik des aktuellen BFH-Urteils nicht stellt.
Der Gesetzgeber plant steuerliche Entlastungen beim Steuertarif sowie beim Kindergeld als Entlastung für die zurzeit hohe Inflation. Mit dem sog. Inflationsausgleichsgesetz soll u. a. die kalte Progression, die bei inflationsbedingt steigenden Einkommen eintritt, abgemildert werden.
Hintergrund: Je höher das Einkommen ist, desto höher ist auch der Steuersatz. Der sog. Spitzensteuersatz beträgt in Deutschland 42 %, der Höchstsatz liegt bei 45 % (sog. Reichensteuer). Wird das Einkommen lediglich inflationsbedingt angehoben, erhöht sich zwar nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, wohl aber der Steuersatz, so dass der Steuerzahler im Ergebnis weniger Kaufkraft hat. Diesen Effekt, der seit Jahren kritisiert wird, nennt man kalte Progression.
Wesentlicher Inhalt des Entwurfs:
Hinweise: Das Gesetz muss noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Änderungen können sich insbesondere an den o. g. Beträgen ergeben. Die Werte sollen sich am 14. Existenzminimumbericht und am 5. Progressionsbericht orientieren, die im Herbst vorgelegt werden. Über die endgültigen Regelungen informieren wir Sie, sobald das Gesetz final verabschiedet wurde.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, soweit sie ab dem 1.1.2019 entstanden sind. Der BFH gewährt daher insoweit Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags fällig, d. h. jährlich 12 %. Säumniszuschläge sind also doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, und mehr als sechsmal so hoch wie der neue Zinssatz von monatlich 0,15 %, der für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 gilt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im letzten Jahr die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert.
Sachverhalt: Die Antragstellerin schuldete Umsatzsteuer für die Zeiträume Mai 2013 sowie 2014 bis 2017. Sie beantragte einen Abrechnungsbescheid, in dem das Finanzamt Säumniszuschläge in Höhe von 12 % jährlich auswies; die Säumniszuschläge waren teilweise erst ab dem 1.1.2019 entstanden. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, da sie die Höhe der Säumniszuschläge für verfassungswidrig hält.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, soweit es um die seit dem 1.1.2019 entstandenen Säumniszuschläge geht. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich der bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge, wies der BFH den Antrag zurück:
Hinweise: Auch wenn der Aussetzungsantrag Erfolg gehabt hat, macht der BFH deutlich, dass es sich nur um eine vorläufige Entscheidung ohne eine bestimmte Tendenz handelt und dass eine abschließende Entscheidung erst im Hauptsacheverfahren getroffen werden kann. Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge ergeben sich also allein daraus, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit offen ist.
Der Inhalt des Mandantenrundschreibens ist nicht als Rechtsrat zu verstehen und ohne vorherige Beratung auch nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Eine Haftung für den Inhalt der Beiträge kann trotz gewissenhafter Bearbeitung nicht übernommen werden.
München, im November0 2022
Thomas R. Kretzschmar
Dipl. Kfm. (Univ.) . Dipl. Jur. (Univ.)
Wirtschaftsprüfer . Steuerberater . Fachberater für internationales Steuerrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Oliver Henry
Dipl. Jur. (Univ.)
Rechtsanwalt
KRETZSCHMAR & PARTNER mbB
Steuern . Recht . Wirtschaft . Prüfung
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft . Steuerberatungsgesellschaft
Tel. +49-89-38 39 47 - 0
[email protected]