Ausgabe Nr. 5/2014 (September/Oktober)
Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,
nachfolgend haben wir in dieser Ausgabe wieder aktuelle Urteile und Neuerungen aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht für Sie zusammengestellt.
Der Bundesrat hat vor der Sommerpause unter anderem den Neuregelungen für die Steuerschuldnerschaft von Bauunternehmern und Gebäudereinigern zugestimmt. Dies führt vereinfacht gesagt dazu, dass die durch die Rechtsprechung gekippte Verwaltungsauffassung wieder gilt.
Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte die seinerzeitige gesetzliche Regelung hinsichtlich des Übergangs der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Steuerschuldnerschaft nur dann auf den Auftraggeber (Leistungsempfänger) übergehen soll, wenn der Auftraggeber die an ihn erbrachte Bauleistung seinerseits für Bauleistungen verwendet. Die Finanzverwaltung hatte dagegen den Übergang der Steuerschuldnerschaft vom Umfang der vom Leistungsempfänger erbrachten Bauleistungen abhängig gemacht (ermittelt anhand der Quote der Vorjahres-Umsätze), sich dann aber der Auffassung des BFH angeschlossen (s. hierzu unsere Mandanten-Info 3 und 4/2014).
Mit dem nun verabschiedeten sogenannten Kroatien-Anpassungsgesetz gilt ab dem 1. 10. 2014 Folgendes:
Anmerkung: Leistungsempfänger und Bauunternehmer bzw. Gebäudereiniger müssen künftig nicht mehr untereinander klären, ob die Steuerschuldnerschaft zur Anwendung kommt oder nicht. Die vom Finanzamt ausgestellte Bescheinigung dürfte hier für Klarheit sorgen.
Hinweise: Für Umsätze, die zwischen dem 15. 2. 2014 und dem 30. 9. 2014 ausgeführt werden, gelten die in der Mai/Juni-Ausgabe dieser Mandanten-Information dargestellten Grundsätze. Komplizierter wird es in Fällen, in denen der Leistungsempfänger für vor dem 15. 2. 2014 erbrachte Bauleistungen nicht die von der Finanzverwaltung vorgesehenen Übergangsregelungen in Anspruch nimmt, sondern sich für eine Rückabwicklung entscheidet. Sprechen Sie uns in Zweifelsfällen an.
Das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) hat kürzlich die Anforderungen an die Aufbewahrung und Archivierung von elektronischen Kontoauszügen im unternehmerischen Bereich näher erläutert.
Hintergrund: Kontoauszüge werden zunehmend digital von den Banken an ihre Kunden übermittelt. Viele Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Online-Banking sehen darüber hinaus die Übermittlung von Kontoauszugsdaten ausschließlich in elektronischer Form vor. Sofern eine elektronische Übermittlung der Kontoauszüge erfolgt, sind diese aufbewahrungspflichtig, da es sich hierbei um originär digitale Dokumente handelt.
Das BayLfSt stellt in diesem Zusammenhang klar:
Anmerkung: Diese Grundsätze gelten nicht nur für Unternehmen. Auch Privatpersonen mit positiven Einkünften (insbesondere aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung) von mehr als 500.000 € im Jahr müssen sich hieran halten. Hier besteht allerdings eine Aufbewahrungsfrist von sechs, und nicht wie bei Unternehmen, von zehn Jahren.
Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat seine Fragen-Antworten-Kataloge zur Neuregelung des Kirchensteuerabzugsverfahrens ergänzt und eine weitere wichtige Ausnahme für betroffene Kapitalgesellschaften geschaffen.
Hintergrund: Ab dem 1. 1. 2015 sind Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtete (dies sind neben Banken, Kreditinstituten und Versicherungen auch Kapitalgesellschaften, die Ausschüttungen an ihre Gesellschafter leisten) verpflichtet, die Kirchensteuerpflicht der Empfänger der Kapitalerträge zu ermitteln und in einem automationsunterstützten Verfahren Kirchensteuer auf Abgeltungsteuer einzubehalten und an die steuererhebenden Religionsgemeinschaften abzuführen. Dafür müssen sie jährlich im Zeitraum vom 1. 9. bis 31. 10. – erstmalig im Jahr 2014 – das Kirchensteuerabzugsmerkmal (KiStAM) für jeden ihrer Gesellschafter elektronisch beim BZSt abfragen (sog. Regelabfrage).
Inzwischen wurden verschiedene Ausnahmeregelungen zur Entlastung der Kapitalgesellschaften getroffen. Es lohnt sich daher zu prüfen, ob in Ihrem Fall – aufgrund einer der folgenden Punkte – die geforderte Registrierung und Abfrage beim BZSt vorerst unterbleiben kann.
Ausgenommen sind:
Hinweis: Darüber hinaus hat das BZSt in einem weiteren Katalog nunmehr auch Antworten auf vielfach aufgeworfene Einzelfragen zur Registrierung im BZSt-Online-Portal und zur Verfahrenszulassung veröffentlicht. Darunter u. a. den Hinweis, dass jede Gesellschaft, die zur Verfahrensteilnahme verpflichtet ist, aber einen Datenübermittler zur Abfrage beauftragt, sich dennoch selbst registrieren muss.
Ein Arbeitnehmer, der einen Dienstwagen auch privat nutzt, darf nicht mitten im Jahr von der sog. 1 %-Regelung zur Fahrtenbuchmethode wechseln. Die Fahrtenbuchmethode ist nur anzuerkennen, wenn der Arbeitnehmer für das gesamte Jahr ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führt.
Hintergrund: Die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens gehört zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Wert der Privatnutzungsmöglichkeit kann entweder mit 1 % des Bruttolistenpreises des Kfz pro Monat ermittelt werden (1 %-Regelung) oder mit den tatsächlich aufgrund der Privatfahrten entstandenen Kosten, wenn der Arbeitnehmer ein Fahrtenbuch führt (Fahrtenbuchmethode).
Streitfall: Ein Arbeitnehmer durfte seinen Dienstwagen auch privat nutzen. Den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzungsmöglichkeit ermittelte er für den Zeitraum Januar bis April 2008 nach der 1 %- Regelung und für den Zeitraum Mai bis Dezember 2008 nach der Fahrtenbuchmethode. Das Finanzamt setzte für das gesamte Jahr 2008 den Wert an, der sich nach der 1 %- Regelung ergab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Hinweise: Um die Bewertung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzungsmöglichkeit eines Kfz nach der Fahrtenbuchmethode vornehmen zu können, muss der Arbeitnehmer für das gesamte Jahr ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führen. Zudem muss er die Kfz-Kosten durch Belege nachweisen. Ein unterjähriger Wechsel von der 1 %- Regelung zur Fahrtenbuchmethode kommt allerdings bei einem Fahrzeugwechsel infrage.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass auch außergewöhnliche Kosten, wie die Kosten einer Falschbetankung, durch die Entfernungspauschale abgegolten sind.
Streitfall Der Kläger hatte auf dem Weg von seinem Wohnort zur Arbeit irrtümlich Benzin statt Diesel getankt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er neben der Entfernungspauschale auch die hierdurch entstandenen Reparaturkosten geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug der Kosten.
Entscheidung: So auch der BFH.
Hinweis: Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erfasst auch Park- oder Mautgebühren oder die Abschreibung für das Auto. Darüber hinaus dürfte das Urteil auch für die Kosten eines Unfalls gelten, der nicht auf einer Dienstreise, sondern auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeit bzw. auf dem Rückweg passiert. Dies sieht die Finanzverwaltung derzeit zum Glück noch anders, sodass diese Kosten weiterhin geltend gemacht werden sollten.
Die Kosten für einen Winterdienst stellen eine steuerlich begünstigte haushaltsnahe Dienstleistung dar, für die eine Steuerermäßigung von 20 % (max. 4.000 €), gewährt wird. Dies gilt auch, wenn der Winterdienst auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Haus des Steuerpflichtigen erledigt wird.
Hintergrund: Für haushaltsnahe Dienstleistungen im Haushalt des Steuerpflichtigen wird eine Steuerermäßigung von 20 % auf den Rechnungsbetrag gewährt. Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen zählen hauswirtschaftliche Arbeiten, die üblicherweise durch die Haushaltsmitglieder erledigt werden, z. B. die Reinigung der Wohnung.
Sachverhalt: Ein Hausbesitzer zahlte an einen Winterdienst ca. 140 €, damit dieser die Schneeräumung auf dem öffentlichen Gehweg vor dem selbst genutzten Haus übernimmt. Das Finanzamt verweigerte den Abzug der Kosten als haushaltsnahe Dienstleistung, weil der Gehweg nicht zum Haushalt des Hausbesitzers gehöre.
Entscheidung: Die Richter des Bundesfinanzhofs (BFH) sahen dies erfreulicherweise anders:
Hinweise: Der BFH widerspricht damit der Finanzverwaltung, die den Winterdienst nur insoweit als steuerlich begünstigt ansieht, als er auf dem Privatgelände des Steuerpflichtigen erledigt wird.
Ebenfalls begrenzt abzugsfähig (und ebenfalls im Widerspruch zur Finanzverwaltung) sind dem BFH zufolge die Handwerkerkosten für den Anschluss des Hauses an das öffentliche Trink- und Abwassernetz im Rahmen einer Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahme. Zwar werden auch hier die Leistungen z. T. jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem Grund und Boden erbracht. Allerdings gebietet auch hier die räumlich-funktionale Betrachtungsweise den Abzug der „grenzüberschreitenden“ Leistung, sofern diese im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt wird und dem Haushalt dient. Für den Anschluss eines Neubaus gelten diese Grundsätze jedoch nicht.
Mit dem kürzlich beschlossenen Tarifautonomiestärkungsgesetz ist es amtlich: Ab dem 1. 1. 2015 gilt in Deutschland in den meisten Branchen ein Mindestlohn von 8,50 €/Stunde.
Hier die Fakten im aller Kürze:
Ab dem 1. 1. 2015 gilt grundsätzlich ein Mindestlohn von 8,50 €. Bis zum 31. 12. 2016 sind niedrigere Löhne nur erlaubt, wenn ein entsprechender Tarifvertrag dies vorsieht und durch Rechtsverordnung auf Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für allgemein verbindlich erklärt wurde. Dies betrifft beispielsweise die fleischverarbeitende Industrie, die Zeitarbeitsbranche und das Friseurhandwerk. Im Hotel- und Gaststättengewerbe dagegen sind die Tarifgespräche gescheitert, sodass hier der Mindestlohn zum 1. 1. 2015 anzuwenden ist.
Ab dem 1. 1. 2017 wird der Mindestlohn dann für alle Beschäftigten bei mindestens 8,50 € liegen und ausnahmslos für alle Brachen gelten. Ab dem 1. 1. 2018 gilt dann ein von der Mindestlohnkommission festgesetzter allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn ohne jede Einschränkung.
Für Zeitungszusteller gilt eine stufenweise Einführung des Mindestlohns: Ab dem 1. 1. 2015 erhalten sie mindestens 75 Prozent, ab dem 1. 1. 2016 mindestens 85 Prozent des geltenden Mindestlohns. Ab dem 1. 1. bis zum 31. 12. 2017 sind es dann 8,50 €. Danach steht ihnen der von Mindestlohnkommission beschlossene Mindestlohn ohne Einschränkung zu.
Der Mindestlohn gilt auch für Saisonkräfte in der Landwirtschaft. Jedoch wird hier die bereits vorhandene Möglichkeit der kurzfristigen sozialabgabenfreien Beschäftigung von 50 auf 70 Tage ausgedehnt (befristet auf vier Jahre). Die Höhe des Mindestlohns wird hierdurch nicht beeinflusst.
Der Mindestlohn gilt auch für Minijobber.
Für ein (Pflicht)-Praktikum im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium wird kein Mindestlohn gezahlt. Auch freiwillige Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten, die zur Orientierung bei der Berufs- oder Studienwahl dienen, sind ausgenommen. Praktikanten, die während eines Studiums/einer Ausbildung ein freiwilliges Praktikum machen, bekommen den Mindestlohn für Zeiten, die über drei Monate hinausgehen. Anspruch auf Mindestlohn hat auch, wer außerhalb einer Ausbildung/eines Studiums ein Praktikum macht und schon eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Studienabschluss hat.
Bei Beschäftigten, die zuvor über ein Jahr arbeitslos waren, kann der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vom Mindestlohn abweichen. Zum 1. 6. 2016 wird die Bundesregierung darüber berichten, inwieweit diese Regelung die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung dazu abgeben, ob sie fortbestehen soll.
Der Inhalt des Mandantenrundschreibens ist nicht als Rechtsrat zu verstehen und ohne vorherige Beratung auch nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Eine Haftung für den Inhalt der Beiträge kann trotz gewissenhafter Bearbeitung nicht übernommen werden.
München, im September 2014
Thomas R. Kretzschmar
Dipl. Kfm. (Univ.) . Dipl. Jur. (Univ.)
Wirtschaftsprüfer . Steuerberater . Fachberater für internationales Steuerrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Oliver Henry
Dipl. Jur. (Univ.)
Rechtsanwalt
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