Ausgabe Nr. 5/2018 (September/Oktober)
Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,
nachfolgend haben wir in dieser Ausgabe wieder aktuelle Urteile und Neuerungen aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht für Sie zusammengestellt.
Der Vorsteuerabzug kann trotz fehlender Angabe des Liefer- bzw. Leistungszeitpunkts in der Rechnung möglich sein, wenn davon auszugehen ist, dass die Leistung im Monat des Rechnungsdatums erbracht worden ist. In diesem Fall ergibt sich der Leistungszeitpunkt aus dem Rechnungsdatum.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt insbesondere eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Die Rechnung muss u. a. Angaben zum Zeitpunkt der Lieferung bzw. sonstigen Leistung enthalten. Der Gesetzgeber beanstandet es nicht, wenn als Leistungszeitpunkt nicht der genaue Tag, sondern der Monat angegeben wird.
Streitfall: Der Kläger war Kfz-Händler und machte aus 26 Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 26 Pkw den Vorsteuerabzug geltend. In den Rechnungen fehlten die Angaben zum Lieferzeitpunkt. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug des Klägers daher nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage bezüglich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen statt:
Hinweise: Das Urteil ist unternehmerfreundlich. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Entscheidung anwenden wird.
Stellen Sie fest, dass der Lieferzeitpunkt in der Rechnung fehlt, sollten Sie unabhängig vom aktuellen BFH-Urteil die Berichtigung der Rechnung verlangen. So kann ein Streit mit dem Finanzamt über die fehlende Angabe des Lieferzeitpunkts vermieden werden; die Berichtigung kann auch noch im Verlauf einer Außenprüfung erfolgen.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat den Anwendungserlass zur Einzelaufzeichnungspflicht bei der Buchführung veröffentlicht. Damit reagiert das Ministerium auf eine Gesetzesänderung, die am 29.12.2016 in Kraft getreten ist und die insbesondere für Kasseneinnahmen Bedeutung hat.
Hintergrund: Für die Buchführung gelten grundsätzlich die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wie z. B. die Pflicht zur vollständigen, zeitgerechten, richtigen und geordneten Aufzeichnung. In jüngerer Zeit ist die Frage aufgeworfen worden, ob zu diesen Grundsätzen auch die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gehört. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies in einer grundlegenden Entscheidung für bilanzierende Unternehmer bejaht. Der Gesetzgeber hat daraufhin die Einzelaufzeichnungspflicht ausdrücklich in den Pflichtenkatalog für Unternehmer aufgenommen.
Die Kernaussagen des BMF:
Hinweis: Das BMF-Schreiben enthält weitere Erläuterungen zu den Aufzeichnungspflichten bei Verwendung einer offenen Ladenkasse, die allerdings den bisherigen Grund-sätzen entsprechen.
Nach Auffassung des BMF gilt die Einzelaufzeichnungspflicht auch für Unternehmer, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln. Das Gesetz ist insoweit allerdings nicht eindeutig.
Ebenfalls geäußert hat sich das BMF zu einer Anfrage von Wirtschaftsverbänden, wie Zahlungen mittels EC-Karte in der Kasse zu erfassen sind. Danach ist die vor-übergehende Erfassung von EC-Karten-Umsätzen in der Kasse steuerlich unschädlich, wenn die EC-Karten-Umsätze wieder herausgerechnet oder gesondert kenntlich gemacht werden.
Hintergrund: In einer Kasse dürfen an sich nur Barzahlungen erfasst werden. Bei einem bilanzierenden Unternehmer muss zudem die Kassensturzfähigkeit der Kasse sichergestellt werden, d. h. der Abgleich des sich nach dem Kassenbuch ergebenden Sollbestandes mit dem tatsächlichen Istbestand der Kasse.
Die Anfrage der Verbände: Mehrere Verbände haben beim BMF angefragt, ob die Erfassung von EC-Karten-Umsätzen in einer Kasse die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beeinträchtigt und ob ggf. eine praxistaugliche Lösung seitens der Finanzverwaltung angeboten wird.
Die Kernaussagen des BMF: Das BMF verlangt zwar eine Kassensturzfähigkeit, macht die Beurteilung allerdings vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Das bedeutet:
Hinweise: Insbesondere bei Einzelhändlern, wie z. B. Supermärkten, ist die Erfassung von EC-Karten-Umsätzen problematisch. Denn zunächst wird der Umsatz in die Kasse eingegeben; erst danach sagt der Kunde, ob er bar oder mit Karte zahlen will. Der Einzelhändler gibt die Zahlung nun als EC-Karten-Zahlung in die Kasse ein und erfasst sie damit in der Kasse. Dies ist streng genommen falsch, weil noch kein Geld in die Kasse gelangt ist; denn es kommt erst einige Tage später zu einer Überweisung auf das Bankkonto.
Diese Vorgehensweise ist nach der aktuellen Stellungnahme des BMF unschädlich, wenn der EC-Karten-Umsatz sofort auf ein Forderungskonto umgebucht oder als solcher markiert wird und daher jederzeit per Knopfdruck vom Kassenbestand abgezogen werden kann.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat seine Auffassung zur Neuregelung der „Kassennachschau“ in Gestalt eines Anwendungserlasses veröffentlicht. Der Erlass ist für die Finanzämter bei der Auslegung der Neuregelung bindend.
Hintergrund: Mit Wirkung ab dem 1.1.2018 hat der Gesetzgeber die Kassennachschau eingeführt. Bei der Kassennachschau kann ein Finanzbeamter ohne vorherige Ankündigung die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen und Kassenbuchungen in den Geschäftsräumen des Unternehmers prüfen. Außerdem kann er – allerdings erst ab 1.1.2020 – auch prüfen, ob der Unternehmer eine elektronische Kasse mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung verwendet.
Die Kernaussagen des BMF:
Hinweise: Ab 1.1.2020 sind Unternehmer, die elektronische Kassensysteme einsetzen, verpflichtet, Kassensysteme mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung zu verwenden; diese Kassensysteme sollen Manipulationen von vornherein ausschließen. Allerdings gilt diese Verpflichtung nicht für Unternehmer, die eine offene Ladenkasse (z. B. Geldkassette oder Schuhkarton) verwenden. Wird ein elektronisches Kassensystem eingesetzt, darf der Finanzbeamte ab 1.1.2020 auch prüfen, ob das Kassensystem mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung versehen ist.
Die vom Arbeitgeber gezahlte Abfindung anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrags ist tarifbegünstigt und wird daher beim Arbeitnehmer ermäßig besteuert. In der Regel ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer bei Abschluss des Auflösungsvertrags unter Druck stand und daher nicht freiwillig auf seine künftigen Gehaltsansprüche verzichtet hat.
Hintergrund: Entschädigungen werden ermäßigt besteuert, wenn es aufgrund der Entschädigung zu einer sog. Zusammenballung von Einkünften kommt und sich dadurch der Steuersatz erhöhen würde.
Streitfall: Der Kläger arbeitete als Verwaltungsangestellter in einer Stadtverwaltung. Im Dezember 2012 schloss er mit der Stadt einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung ab April 2013, nachdem die Stadt angekündigt hatte, dass sie Personal abbauen will, und der Kläger einen längeren Rechtsstreit mit der Stadt über seine tarifliche Eingruppierung geführt hatte. Im Gegenzug wurde ihm eine Abfindung in Höhe von ca. 35.000 € zugesagt, die ihm im Jahr 2013 auch ausgezahlt wurde. Seit April 2013 war er Rentner und bezog eine Rente. Das Finanzamt gewährte keine Tarifbegünstigung für die Abfindung.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Hinweis: Im Ergebnis dürfte das Urteil zu einer Beweislastumkehr führen, sodass künftig das Finanzamt nachweisen muss, dass der Arbeitnehmer nicht unter tatsächlichem Druck gestanden hat, sondern das Arbeitsverhältnis von sich aus auflösen wollte.
Beläuft sich die vereinbarte Miete auf mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, wird ein Verlust aus der Vermietung grundsätzlich in voller Höhe anerkannt. Bei Vermietung einer teilmöblierten oder vollmöblierten Wohnung ist die ortsübliche Miete aufgrund der (Teil-)Möblierung um einen Zuschlag zu erhöhen. Dieser Zuschlag kann entweder aus dem Mietspiegel oder aber aus einem am Markt realisierbaren Möblierungszuschlag abgeleitet werden.
Hintergrund: Aus der Vermietung von Wohnungen an Angehörige werden in der Regel Verluste erzielt. Da der Verlust möglicherweise auch aus privaten Gründen, nämlich der Unterstützung des Angehörigen, in Kauf genommen wird, hat der Gesetzgeber zurzeit eine Grenze von 66 % gesetzt. Beträgt die vereinbarte Miete demnach mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, geht der Gesetzgeber von einer vollentgeltlichen Vermietung aus und erkennt den Verlust grundsätzlich in voller Höhe an. Wird diese Grenze nicht erreicht, wird die Vermietung in eine entgeltliche und in eine unentgeltliche Vermietung aufgeteilt und nur der Verlust, der sich aus der entgeltlichen Vermietung ergibt, anerkannt.
Streitfall: Die Kläger vermieteten eine 80 qm große Eigentumswohnung an ihren Sohn zu einer Kaltmiete von 325 € (= 4,06 €/qm) zzgl. Nebenkosten von 155 €. Die Wohnung war mit einer Einbauküche, einer Waschmaschine und einem Trockner ausgestattet, deren Kosten zusammen ca. 10.000 € betrugen. Nach dem Mietspiegel ergab sich eine ortsübliche Miete von 5,60 bis 5,75 €/qm. Das Finanzamt erkannte den sich aus der Vermietung ergebenden Verlust nur zum Teil an, weil die vereinbarte Miete die im Streitjahr 2006 gültige Grenze von 56 % der ortsüblichen Miete nicht erreichte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Der Möblierungszuschlag ist wie folgt zu ermitteln:
Hinweise: Das FG muss nun die ortsübliche Warmmiete ermitteln und prüfen, ob und inwieweit die ortsübliche Warmmiete um einen Möblierungszuschlag zu erhöhen ist.
Ein Streit mit dem Finanzamt über die Angemessenheit der Miete ist riskant, weil sich die ortsübliche Miete nicht immer sicher feststellen lässt. Daher sollte bei Mietverträgen mit nahen Angehörigen die Miete nicht zu nah an der 66 %-Grenze angesetzt werden.
Der Inhalt des Mandantenrundschreibens ist nicht als Rechtsrat zu verstehen und ohne vorherige Beratung auch nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Eine Haftung für den Inhalt der Beiträge kann trotz gewissenhafter Bearbeitung nicht übernommen werden.
München, im September 2018
Thomas R. Kretzschmar
Dipl. Kfm. (Univ.) . Dipl. Jur. (Univ.)
Wirtschaftsprüfer . Steuerberater . Fachberater für internationales Steuerrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Oliver Henry
Dipl. Jur. (Univ.)
Rechtsanwalt
KRETZSCHMAR & PARTNER mbB
Steuern . Recht . Wirtschaft . Prüfung
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft . Steuerberatungsgesellschaft
Tel. +49-89-38 39 47 - 0
[email protected]